HR-Strategien für die digitale Transformation: Impulse aus dem Sammelband “Kompetenzen für die Arbeitswelten der Zukunft”
Wie kann HR die digitale Transformation erfolgreich gestalten? Antworten liefert der Sammelband “Kompetenzen für die Arbeitswelten der Zukunft” von Fichtner-Rosada et al. (2024). Er behandelt die Herausforderungen der sich wandelnden Arbeitswelt durch Digitalisierung, KI und gesellschaftliche Trends. Die Autorinnen und Autoren sind meist Lehrende der FOM Hochschule. Sie beleuchten die Themen aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Sicht. Einen Schwerpunkt bilden die zukünftig notwendigen Kompetenzen, deren Bandbreite sich von fachlich-technischen Kompetenzen bis hin zu Soft Skills erstreckt. Die einzelnen Beiträge sind in folgende vier Themenbereiche gegliedert:
- Arbeitswelt und Berufsbilder im Umbruch
- Visionen und Frameworks, die den Umbruch reflektieren
- Herausforderungen im Bildungswesen
- Herausforderungen in Wirtschaft und Personalmanagement.
Fünf Fachbeiträge näher betrachtet
Im Folgenden werden kurz fünf der insgesamt 28 Beiträge beleuchtet. Diese Beiträge repräsentieren zugleich Themengebiete, die ich des Öfteren in Veranstaltungen rund um Personalmanagement und Führung behandle.
Wilke analysiert in ihrem Beitrag “Arbeitsangebot und -nachfrage in Deutschland” die aktuelle Situation und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Der demografische Wandel führt langfristig zu einem Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials. Dabei hat sich die Erwerbsbeteiligung von Jüngeren, Frauen und Älteren in den letzten Jahren bereits deutlich erhöht. Zudem zeigen sich zunehmend Fachkräfteengpässe in bestimmten Branchen und Berufsgruppen. Besonders ausgeprägt ist dies bspw. im Gesundheits- und Pflegebereich, im Handwerk, in technischen Berufen und in der IT. Die Bewältigung der Herausforderungen erfordert eine bessere Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials, gezielte Förderung der Zuwanderung und Produktivitätssteigerung. Dabei kann die Digitalisierung bzw. KI sowohl Chancen als auch neue Herausforderungen mit sich bringen.
Der Beitrag “Future Skills: Ein Framework für Transformation und Bildung” von Suessenbach et al. befasst sich mit essenziellen Kompetenzen, mit denen künftig komplexe Herausforderungen bewältigt und innovative Lösungen entwickelt werden können. Im Fokus steht ein Framework von Stifterverband und McKinsey & Company, dessen Kompetenzen in die vier Bereiche digital, klassisch, transformativ und technologisch unterteilt werden können. Diese Future Skills dienen u. a. als Grundlage für die (akademische) Aus- und Weiterbildung. Zudem ermöglichen sie eine nachhaltige und chancengerechte gesellschaftliche Entwicklung.
Auch der Beitrag “Future Skills 2.0: Vom Buzzwording zur Kontextintelligenz” von Müller-Friemauth & Kühn befasst sich mit der Kompetenzthematik. Die Autoren kritisieren das meist oberflächliche Verständnis von Future Skills. Sie schlagen kontextbezogene “Future Skills 2.0” vor. Diese ermöglichen eine differenziertere Skill-Entwicklung. Generell plädieren die Autoren anstelle universeller Frameworks für maßgeschneiderte Kompetenzen. Weiter betonen die Autoren die technologische Unterstützung durch KI und agile Arbeitsmethoden, aber auch damit verbundene Risiken.
Rüschoff geht in ihrem Beitrag “Wie werden wir arbeiten? Die Bedeutung Künstlicher Intelligenz für die Berufsausbildung” auf die Auswirkungen von KI auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Berufsausbildung ein. Es wird zwischen schwacher, anwendungsbezogener (derzeit vorherrschend) und starker, generalisierter KI unterschieden. Die Berufsausbildung muss verstärkt technisches Verständnis und den Umgang mit KI vermitteln. Weiter sind soziale und emotionale Kompetenzen zu fördern, da KI darin eingeschränkt ist. Durch den Einsatz von KI können künftig neue Berufsbilder entstehen. Eine vorausschauende Bildungspolitik sollte proaktiv künftige Veränderungen gestalten.
Im Fokus des Beitrags “Die Zukunft der Führung – Vertrauen quo vadis?” von Nienaber et al. steht der öffentliche Sektor. Die Autoren betonen die zentrale Bedeutung von Vertrauen für eine erfolgreiche digitale Transformation. Diese verläuft aufgrund bekannter Probleme (bspw. Datenschutzbedenken, Fachkräftemangel, veraltete Systeme) schleppend. Vertrauen als erforderliche Führungskompetenz fördert Innovation, den ethischen Technologieeinsatz und eine resiliente Unternehmenskultur. Anhand ausgewählter Projekte wird belegt, dass vertrauensbasierte Führung positive Veränderungen ermöglicht. Vertrauen ist somit die Basis für die erfolgreiche Umsetzung digitaler (Verwaltungs-)Initiativen. Die dargestellten Prinzipien und Vorteile sind weitgehend auch auf Wirtschaftsunternehmen übertragbar.
Fazit und Handlungsimpulse
Der Sammelband von Fichtner-Rosada et al. (2024) bietet einen umfassenden Einblick in die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt. Er vereint wissenschaftliche und praxisorientierte Perspektiven auf zuweilen anspruchsvollem Niveau. Der Sammelband verdeutlicht die Notwendigkeit für HR, sich proaktiv mit Future Skills, KI und neuen Führungskonzepten auseinanderzusetzen.
Die Verknüpfung theoretischer Ansätze mit konkreten Handlungsempfehlungen und Beispielen ermöglicht den Lesenden, ein ganzheitliches Verständnis für eine resiliente und zukunftsfähige Arbeitsumgebung zu entwickeln. Ambitionierte HR-Verantwortliche und Führungskräfte erhalten durch die einzelnen Fachbeiträge vertiefte Einblicke und wertvolle Impulse zur nachhaltigen Gestaltung zukünftiger Arbeitswelten.
Als persönliches Fazit lassen sich verdichtet folgende praktische Handlungsempfehlungen für HR ableiten:
Strategische Maßnahmen:
- Kompetenzentwicklung fördern: Unternehmen sollten gezielt in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren, um digitale Kompetenzen aufzubauen und sich an wandelnde Anforderungen anpassen zu können.
- Digitale Kultur etablieren: Eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur ist essenziell. HR kann bspw. durch eine entsprechend ausgestaltete Führungskräfteentwicklung an einer Kultur mitwirken, die Veränderungen unterstützt.
Operative Maßnahmen:
- Flexible Arbeitsmodelle einführen bzw. ausweiten: Durch die Etablierung von Remote- und hybriden Arbeitsformen können Unternehmen agiler agieren und gleichzeitig die Work-Life-Balance der Mitarbeitenden verbessern.
- Transformation unterstützen: HR sollte zum einen selbst moderne Technologien einsetzen (z. B. KI-basierte Bewerbermanagementsysteme, digitale Lernplattformen) und kontinuierlich seine Prozesse optimieren. Zum anderen sollte HR eine aktive Rolle in Veränderungsprojekten übernehmen – u. a., indem Mitarbeitende gezielt bei der Veränderung der Arbeitsweise begleitet werden.
Somit geht es um eine ganzheitliche Betrachtung der Herausforderungen der digitalen Zukunft, die neben technologischen und strategischen Aspekten die Entwicklung und Förderung der Mitarbeitenden berücksichtigt.
Literatur
Fichtner-Rosada, S., Heupel, T., Hohoff, C. & Heuwing-Eckerland, J. (Hrsg.) (2024). Kompetenzen für die Arbeitswelten der Zukunft. Impulse des European Year of Skills für Wirtschaft, Bildung und Personalwesen. Reihe FOM-Edition. Wiesbaden: Springer Gabler. https://doi.org/10.1007/978-3-658-44959-9
Veröffentlicht am 10.10.2024 auf www.andreas-dotzauer.de | © 2024 Dotzauer Beratung