Professionelle Gesprächsführung: Trennung zwischen Rolle und Person
Für Fach- und Führungskräfte sowie HR-Verantwortliche ist professionelle Gesprächsführung eine Schlüsselkompetenz. Eine bewährte Methode ist die klare Trennung zwischen der Rolle einer Person und der Person selbst. Die Rolle umfasst Erwartungen und Aufgaben der Position, während die Person individuelle Eigenschaften und Werte einschließt. Diese Trennung ist entscheidend für erfolgreiche Führung und Zusammenarbeit. Sie hilft, Missverständnisse zu vermeiden, Konflikte effektiv zu entschärfen und eine positive Arbeitsbeziehung nachhaltig aufrechtzuerhalten.
Dieser Beitrag stellt – basierend auf meiner langjährigen Erfahrung u. a. als Führungskräftetrainer und Hochschuldozent – vier zentrale Ansätze vor, um diese wichtige Kompetenz zu entwickeln und erfolgreich im Arbeitsalltag einzusetzen.
1. Sachliche Gespräche: Schlüssel zu besserer Verständigung
Wenn Sie klar zwischen der Rolle einer Person und ihrer Persönlichkeit unterscheiden, schaffen Sie einen Rahmen für konstruktive Gespräche. Das bedeutet konkret, dass Kritik sich auf beobachtbares Verhalten bezieht. Vermeiden Sie pauschale Aussagen wie „Sie sind unzuverlässig“. Beschreiben Sie stattdessen konkretes Verhalten: „In den letzten zwei Wochen haben Sie dreimal vereinbarte Termine nicht eingehalten.“
Bei Entscheidungen sollten Sie ähnlich vorgehen: Begründen Sie diese mit objektiven Kriterien, statt persönliche Vorlieben zu betonen. Zum Beispiel: „Wir haben uns nicht für Sie entschieden, weil eine andere Person mehr Erfahrung im Projektmanagement im Sinne abgeschlossener Großprojekte mit nachweislicher Zeit- und Budgeteinhaltung mitbringt“ anstatt „Ich bevorzuge einfach eine andere Person“.
Diese Herangehensweise basiert auf Erkenntnissen der psychologischen Gesprächsführung. Sie fördert die Objektivität, da nicht die Person, sondern die Erfüllung von Rollenerwartungen im Vordergrund steht. Situationen werden nach gleichen bzw. nachvollziehbaren Maßstäben betrachtet. Dies erhöht die Akzeptanz von Feedback und Entscheidungen und stärkt das Gefühl von Gerechtigkeit.
Warum funktioniert das? Die Psychologie bietet Erklärungen für dieses Phänomen: Wenn Menschen Kritik als persönlichen Angriff wahrnehmen, aktivieren sie Abwehrmechanismen zum Schutz ihres Selbstwertgefühls. Typische Reaktionen sind beispielsweise Rechtfertigungen oder das Abwerten des Gegenübers. Ausgelöste Emotionen verhindern eine konstruktive Auseinandersetzung.
Durch den Fokus auf die Rolle statt auf die Person können Gesprächspartner diese emotionalen Abwehrreaktionen umgehen. Dies ermöglicht es ihnen, sachlich zu bleiben und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. So entsteht eine lösungsorientierte und wertschätzende Kommunikation, bei der persönliche Konflikte minimiert und der Fokus auf konstruktive Ergebnisse gelegt wird.
2. Methodik: Klare Worte und klare Strukturen
Wie setzen Sie diese Trennung in der Praxis um? Drei Hebel sind hier wichtig:
- Beobachtbares Verhalten neutral beschreiben, statt zu bewerten. Anstatt zu sagen „Sie sind unzuverlässig“ (pauschale Bewertung), könnten Sie sagen: „Ich habe bemerkt, dass Sie in den letzten drei vereinbarten Meetings jeweils mindestens 5 Minuten ohne Entschuldigung zu spät gekommen sind“ (neutrale Beschreibung des beobachtbaren Verhaltens).
- Begründen Sie rollenbezogen, warum ein bestimmtes Verhalten aus Sicht der Rolle wichtig ist, zum Beispiel: „Als Projektleiter brauche ich verlässliche Zusagen, um den Zeitplan einzuhalten“.
- Schaffen Sie klare Strukturen in Gesprächen und Meetings. Dies hilft, den Fokus auf Rollen und Sachthemen zu behalten. Beispielsweise können in Besprechungen neutrale Protokollführer die Ergebnisse der Diskussion objektiv festhalten, während wechselnde Zeitwächter für einen effizienten Ablauf sorgen. Besonders wichtig ist, dass Moderatoren eine neutrale Position einnehmen und keine inhaltlichen Standpunkte vertreten. So wird sichergestellt, dass sich alle Teilnehmenden auf ihre jeweiligen Rollen konzentrieren können.
Entscheidend ist die Sprache: Trennen Sie Beobachtungen (was ist passiert?) von Bewertungen (wie finden Sie das?).
Um diese Trennung zu erleichtern, sind Formulierungen hilfreich, die auf einer übergeordneten Ebene ansetzen.
Beispielsweise könnten Sie anregen: „Lassen Sie uns zwischen der fachlichen Einschätzung und der persönlichen Bewertung unterscheiden“. Solche Aussagen helfen, die Diskussion auf eine sachliche Ebene zu heben und die Trennung von Rolle und Person zu unterstützen.
Exkurs: Digitale Kommunikation
Die Trennung von Rolle und Person ist auch bei digitaler Kommunikation (E-Mails, Chats, Videokonferenzen) wichtig.
Hier fehlen oft nonverbale Signale (Mimik, Gestik, Tonfall). Diese helfen, die Absichten des Gegenübers richtig zu deuten. Beachten Sie daher folgende Punkte:
- Klare Formulierungen: Drücken Sie sich noch präziser aus, um Missverständnisse zu vermeiden.
- Vermeidung von Missinterpretationen: Nutzen Sie direkte statt indirekte Formulierungen. Statt: „Das ist doch wohl ein Witz?!“ ist besser: „Ich verstehe den Vorschlag nicht. Bitte erläutern Sie, wie er zur Lösung des Problems beiträgt.“
- Aktives Feedback einholen: In der schriftlichen digitalen Kommunikation ist es besonders wichtig, zu überprüfen, ob Botschaften richtig verstanden wurde. Beispiel für eine entsprechende Formulierung in einer E-Mail oder Chat-Nachricht: „Ich habe die zentralen Punkte kurz zusammengefasst. Habe ich alles korrekt erfasst? Welche Anmerkungen oder Ergänzungen haben Sie?“
- Beziehungsebene pflegen: In der digitalen Kommunikation fehlt oft die natürliche Wärme persönlicher Gespräche. Bauen Sie daher bewusst kurze persönliche Elemente ein, ohne die professionelle Ebene zu verlassen. Eine freundliche Begrüßung in einer E-Mail oder eine kurze Frage nach dem Befinden zu Beginn einer Videokonferenz kann helfen, die zwischenmenschliche Beziehung zu pflegen. Zugleich werden Missverständnisse in der sachlichen Kommunikation reduziert.
Diese Praktiken helfen, die Kommunikation effektiv und respektvoll zu gestalten, auch wenn der direkte persönliche
Kontakt fehlt.
Die Trennung von Rolle und Person gelingt durch klare, sachbezogene Kommunikation. Ob im direkten Gespräch oder digital – entscheidend sind neutrale Verhaltensbeschreibungen, rollenbezogene Begründungen und präzise Formulierungen. Strukturierte Gespräche und bewusstes Beziehungsmanagement unterstützen dabei. Diese Praktiken fördern Sachlichkeit und Respekt in der professionellen Kommunikation.
3. Empathie: Die Brücke zum Miteinander
„Erst verstehen, dann verstanden werden“ – dieses von Stephen Covey geprägte Prinzip betont die Rolle der Empathie in der Kommunikation. Es geht darum, sich in die Perspektive des anderen hineinzuversetzen, bevor man eigene Anliegen vorbringt. In der Praxis bedeutet das:
- Aktiv zuhören (z.B. Nachfragen, Zusammenfassen) und die Sichtweise des anderen nachvollziehen
- Wertschätzung für die Person und ihre Erfahrungen ausdrücken
- rollenbezogene Erwartungen einfühlsam formulieren.
Folgendes Beispiel verdeutlicht das: „Frau Müller, Projektleitung kann herausfordernd sein. Wie erleben Sie die aktuelle Situation? [= Zuhören und Verstehen] Ihre langjährige Erfahrung schätzen wir sehr. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir die Berichterstattung optimieren können. Welche Ideen haben Sie dazu?“
Empathie bedeutet nicht, alles gutzuheißen. Es geht darum, die Perspektive des Gegenübers zu verstehen und gleichzeitig klare Erwartungen zu formulieren. Diese Kombination
- stärkt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit
- fördert eine positive Arbeitsatmosphäre
- sorgt dafür, dass sich alle Beteiligten wohl und respektiert fühlen
- unterstützt die Trennung von Rolle und Person, indem sie Wertschätzung für die Person mit klaren Erwartungen an die Rolle verbindet.
Empathie ermöglicht es, die Person wertzuschätzen und zugleich klare, rollenbezogene Erwartungen zu kommunizieren.
Dies fördert die konstruktive Zusammenarbeit und unterstützt die Trennung von Rolle und Person im Berufsalltag.
4. Konflikte reduzieren: Vorbereitung und klare Kommunikation
In schwierigen Situationen (z.B. Kritikgespräche, Kündigungen) hilft eine systematische Vorbereitung. Auf der Sachebene argumentieren Sie mit klaren Fakten, Zahlen und Vereinbarungen. Auf der Personenebene betonen Sie die individuellen Stärken und bisherigen Leistungen des Gegenübers.
Dieses Vorgehen fördert Transparenz und Fairness, da Entscheidungen nachvollziehbar begründet werden. Gleichzeitig wird die Würde des Gegenübers gewahrt, da Fehler als korrigierbares Verhalten innerhalb einer bestimmten Rolle und nicht als persönlicher Mangel wahrgenommen werden.
Die konsequente Trennung von Rolle und Person reduziert emotionale Reaktionen, erhöht die Akzeptanz von Entscheidungen, verhindert unnötige Machtkämpfe und erhält langfristig eine positive Arbeitsbeziehung. Dabei gilt:
Probleme lassen sich leichter lösen, wenn man sie nicht mit den Personen verbindet, die sie vermeintlich verursachen.
Reflexion als Schlüssel zur Umsetzung und Weiterentwicklung
Folgende Reflexionsfragen unterstützen die Vertiefung und die Übertragung in Ihren Arbeitsalltag:
- In welchen beruflichen Situationen fällt es Ihnen leicht bzw. schwer, zwischen Rolle und Person zu trennen?
- Welche positiven Erfahrungen haben Sie bereits mit der Trennung von Rolle und Person gemacht?
- Welche weiteren im Text erwähnten Gesprächsprinzipien wollen Sie ausprobieren?
- Wie wollen Sie künftig Ihre Gesprächskompetenz weiter verbessern?
Beginnen Sie, Rolle und Person zu trennen. Sie verbessern dadurch Ihre Kommunikation und stärken Ihre Beziehungen am Arbeitsplatz. Viel Erfolg.
Veröffentlicht am 3.03.2025 auf www.andreas-dotzauer.de | © 2025 Dotzauer Beratung