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Arbeitssituation in Pflegeberufen und abgeleitete Handlungsimpulse

Die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenpflege werden seit Längerem kritisiert. Ein Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) liefert aktuelle Erkenntnisse über die Belastungsfaktoren und mögliche Lösungsansätze.

Wissenschaftlicher Ansatz der Studie

Der IAB-Forschungsbericht 8|2023 basiert auf einer Studie mit qualitativem Forschungsansatz zugrunde. Grundlage sind 20 leitfadengestützte Interviews mit 22 Personen. Befragt wurden Mitarbeitende in Krankenhäusern und in der Altenpflege. Weitere Interviews wurden mit Führungskräften aus Krankenhäusern, der ambulanten Pflege und Verbänden sowie mit Expertinnen und Experten der Arbeitsvermittlung geführt. Die Interviews wurden transkribiert und mithilfe der Software MAXQDA codiert. Die inhaltsanalytische Auswertung wurde nach Mayring vorgenommen. Die Kategorienbildung erfolgte zunächst deduktiv und wurde induktiv ergänzt.

Dieses Vorgehen ermöglicht eine fundierte Erfassung der Sichtweisen und Erfahrungen der befragten Akteure. Die Stichprobe ist begrenzt und nicht repräsentativ. Die Methodik entspricht jedoch dem üblichen Vorgehen in der qualitativen Sozialforschung. Die Befragung erlaubt daher fundierte Einblicke in die Arbeitssituation in der Pflege.

Überlastung durch Arbeitsverdichtung

Die Studie bestätigt die bekannten Belastungsfaktoren für Pflegende. Alle Befragten berichten von einer hohen Arbeitsverdichtung durch Personalmangel. Dies führt dazu, dass die eigentlichen Qualitätsstandards nicht eingehalten werden können. Das wird von den Beschäftigten als frustrierend erlebt. Die Arbeitszeiten mit häufigen Nacht- und Wochenenddiensten erschweren die Erholung zusätzlich. Hinzu kommen körperliche und emotionale Belastungen durch die konkrete Pflegetätigkeit.

Diese Befunde spiegeln sich in auffälligen Kennzahlen wider: Viele Beschäftigte reduzieren ihre Arbeitszeit, um die Belastungen besser bewältigen zu können. In der Gesundheits-/Altenpflege arbeiten rund 62 % der Frauen und 40 % der Männer in Teilzeit. Zum Vergleich: In Deutschland arbeiten ca. 30 % der Beschäftigten in Teilzeit.
Die krankheitsbedingten Fehltage betragen im Durchschnitt in der Altenpflege 25,8 Tage und in der Krankenpflege 22,3 Tage. Im Vergleich dazu liegen die Fehltage aller Berufstätigen bei 13,9 Tagen.

Immaterielle Faktoren und Führungsqualität wichtig für Zufriedenheit

Interessant ist, dass die Bezahlung nicht die entscheidende Rolle spielt. Vielmehr wünschen sich die Mitarbeitenden immaterielle Aspekte wie Wertschätzung, Mitsprache und Selbstverwirklichung. Wichtig ist auch die fachliche und persönliche Weiterentwicklung u. a. durch Weiterbildung.

Weitere Ansatzpunkte sind mehr Ausbildungsplätze sowie die Weiterqualifizierung von Hilfskräften zu Fachkräften. Allerdings bleiben laut BIBB-Pflegepanel viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Gründe sind sowohl mangelnde Attraktivität der Stellen als auch unzureichende Qualifikationen auf Seiten der Bewerber/-innen. Trotz steigender Immatrikulationszahlen besteht auch bei der Hochschulausbildung ein deutliches Nachfragepotenzial, insbesondere bei den nicht vergüteten Studiengängen.

Viele Beschäftigte haben einen hohen Anspruch an ihre berufliche Rolle und wollen eine möglichst individuelle Pflege und Betreuung leisten. Dieser Anspruch kollidiert jedoch häufig mit den tatsächlichen Rahmenbedingungen.
Ein zentraler Ansatzpunkt für Verbesserungen liegt in einer mitarbeiterorientierten Führungskultur. Aspekte wie Partizipation, Kommunikation und Wertschätzung sollten im Vordergrund stehen. Führungskräfte benötigen dabei häufig selbst Unterstützung.

Übertragbarkeit der Ergebnisse

Die Probleme in der Pflegebranche sind sehr spezifisch. Einige Ergebnisse des Forschungsberichts lassen sich aber auch auf andere Branchen übertragen. Individuelle Wünsche nach Arbeitszeitmodellen, Weiterbildung, Mitsprache und Wertschätzung betreffen den gesamten Arbeitsmarkt. Und mit Blick auf den demografischen Wandel, der die Personalsituation verschärft, werden Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung künftig noch an Bedeutung gewinnen. Zu zeitgemäßer Führung kommen weitere personalstrategische Themen wie Employer Branding und nachhaltige zeitgemäße Personalmarketing-Maßnahmen hinzu. Insofern liefert die IAB-Studie übergreifende Impulse.

Literatur

Hofrath, C. & Meng, M. (2023): BIBB-Pflegepanel. Kurzbericht zur ersten Erhebungswelle 2022/2023 (Hrsg. Bundesinstitut für Berufsbildung). Online unter https://www.bibb.de/dokumente/pdf/AB26_Kurzbericht-BIBB-Pflegepanel_2022-2023.pdf (letzter Zugriff 24.08.2023)

Senghaas, M. & Struck, O. (2023): Arbeits- und Personalsituation in der Alten- und
Krankenpflege. Wie beurteilen Beschäftigte und Führungskräfte Belastungsfaktoren, Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten? IAB-Forschungsbericht 8|2023 (Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit). Online unter https://doku.iab.de/forschungsbericht/2023/fb0823.pdf (letzter Zugriff 24.08.2023)

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