Einsatz von KI im Kundenservice und Implikationen für das Personalmanagement
Die Studie “Generative AI at Work” von Brynjolfsson et al. (2023) untersucht, wie sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Produktivität, das Lernen und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden auswirkt.
Zunächst stelle ich zentrale Eckpunkte der Studie vor. Anschließend beleuchte ich, welche Erkenntnisse sich insbesondere für die betriebliche Personalarbeit ableiten lassen.
Eckpunkte der Studie
Die Autoren führten in einem international agierenden US-Unternehmen aus dem Bereich Business Software/Customer Service ein Quasi-Experiment durch. Dabei wurde untersucht, wie sich die Einführung eines auf den Kundenservice zugeschnittenen KI-Assistenzsystems auswirkt.
Ein auf GPT basierender Chatbot verfolgte die Kundengespräche in Echtzeit. Er generierte Vorschläge für die Antworten auf Kundenanliegen und stellte interne Informationen zur Verfügung. Die Mitarbeitenden konnten die Vorschläge übernehmen, ignorieren oder nur teilweise berücksichtigen. Das System sollte die Mitarbeitende also nicht ersetzen, sondern sie in ihrer Arbeit unterstützen.
Über mehrere Monate wurden Daten von 5.179 Kundenservice-Mitarbeitenden zu Produktivität, Kundenreaktionen und Fluktuation erhoben. Anschließend wurden die Daten mit verschiedenen quantitativen Methoden analysiert. So konnten erste fundierte Erkenntnisse über die Auswirkungen von KI in einem konkreten Arbeitsumfeld gewonnen werden.
Zentrale Ergebnisse der Studie
Zu den zentralen Ergebnissen zählen:
- Der Einsatz von KI im Kundenservice steigerte die Arbeitsproduktivität (Anzahl erledigter Kundenanliegen pro Stunde) um durchschnittlich 13,8 %. Die Bearbeitungsdauer pro Anliegen sank um durchschnittlich 9 % (3,8 Minuten). Die Anzahl parallel bearbeiteter Anliegen stieg um 14 %.
- Insbesondere profitierten weniger erfahrene Mitarbeitende von der KI-Unterstützung. Sie erzielten eine bis zu 35 % höhere Lösungsquote.
- Die Kundenzufriedenheit veränderte sich statistisch nicht signifikant. Jedoch verlief die Interaktion zwischen Kunden und Mitarbeitenden harmonischer. Zudem ging die Anzahl der Kundenbeschwerden signifikant zurück.
- Durch den Einsatz des KI-Assistenzsystems reduzierte sich die Fluktuationsrate insgesamt um 8,6 %. Bei neuen Service-Mitarbeitenden reduzierte sich die Fluktuation sogar um rund 10 %.
Einschätzung und Limitationen
Die Qualität der Studie ist gegeben. Es treten die üblichen Limitationen wissenschaftlicher Forschung auf. Bspw. basieren die Erkenntnisse auf einer Untersuchung in einem Unternehmen einer bestimmten Branche. Es handelt sich nicht um eine Langzeit-Studie. Eine Kontrollgruppe fehlt. Stattdessen stellt die Studie einen realen Feldversuch in einem Großunternehmen dar, in dem verschiedene Kennzahlen erhoben wurden. Da das Vorgehen detailliert beschrieben wurde, sind die Ergebnisse gut nachvollziehbar und grundsätzlich reproduzierbar.
Dennoch erscheint eine direkte Übertragung auf die Arbeitswelt in Deutschland nur eingeschränkt möglich. Ein (weiterer) Grund dafür sind die kulturellen, rechtlichen und qualifikatorischen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland.
Implikationen für das Personalmanagement
Trotz der skizzierten Besonderheiten ist die Studie auch für die Arbeitswelt in Deutschland interessant. So verdichten sich die Hinweise, dass – wie zu vermuten war – Mitarbeitende mit KI-Unterstützung produktiver arbeiten können. Dies führt zu einer höheren Zufriedenheit sowohl auf Seiten der Mitarbeitenden als auch auf Seiten der Kunden.
Eine Voraussetzung ist, dass der Einsatz von KI im Unternehmen akzeptiert wird. Zudem sollten sich Führungskräfte mit KI auseinandersetzen und als Vorbild sowie Unterstützer fungieren.
Für die Personalentwicklung ist besonders interessant, dass KI auch sogenanntes implizites Wissen vermitteln kann, von dem insbesondere weniger erfahrene Mitarbeitende profitieren. KI ist nämlich in der Lage, aus großen Datenmengen und mittels maschinellen Lernens die Verhaltensmuster abzuleiten, die in der Interaktion mit Kunden besonders erfolgsversprechend sind. KI agiert wie eine langjährige Kollegin bzw. ein erfahrener Kollege. Dies ermöglicht auch die Aneignung von „stillem Wissen“ (tacit knowledge) – unbewusst vorhandene bzw. eingesetzte Erfahrungen, die deshalb nur schwer weitergegeben werden können.
Trotz bzw. gerade wegen dieser positiven Aspekte ist die betriebliche Personalentwicklung gefordert, den Einsatz von KI im Unternehmen in geeigneter Weise vorzubereiten und weiter zu unterstützen. Dazu gehört u. a., die Akzeptanz von KI zu fördern, geeignete Trainings insbesondere mit Fokus auf die „weichen Faktoren“ (bspw. Problemlösung) anzubieten, die KI-Nutzung generell in den Kanon des betrieblichen PE-Angebots einzubinden und den Erfolg des spezifischen KI-gestützten kontinuierlichen Lernens zu evaluieren.
Fazit
Als Fazit ergibt sich, dass die Studie trotz kleinerer Einschränkungen wertvolle erste Impulse liefert, um die Akzeptanz und den Einsatz von KI im Unternehmen proaktiv zu fördern und den damit einhergehenden Kompetenzerwerb individuell zu unterstützen.
Literatur
Brynjolfsson, E., Li, D. & Raymond, L. (2023). Generative AI at Work. https://doi.org/10.48550/ARXIV.2304.11771 (arXiv Preprint, letzter Zugriff 18.08.23)
Veröffentlicht am auf www.andreas-dotzauer.de | © 2023 Dotzauer Beratung