Coaching: Definition, Nutzen, Einführung im Unternehmen
Coaching spielt auch im Rahmen der betrieblichen Personalentwicklung eine zunehmend wichtige Rolle. Coaching ist eine Art Beratungsleistung. Der Coach steuert das Vorgehen und leistet „Hilfe zur Selbsthilfe“. Dabei nimmt er dem Coachee weder Aufgaben oder Entscheidungen ab noch gibt er Lösungen vor. Vielmehr handelt der Coach als Reflexionshelfer und als Feedback- bzw. Impulsgeber.
Die Beziehung zwischen Coachee und Coach ist geprägt von Freiwilligkeit, Vertraulichkeit und Individualität. Die Begleitung durch den Coach ist zeitlich befristet.
Der Coach kann aus dem gleichen Unternehmen stammen. Jedoch erleichtert der Einsatz eines externen Coachs u.a. die Wahrung von Vertraulichkeit und Neutralität. Letztere ist beim Mentoring so nicht gegeben: Hier werden in der Regel erfahrene Führungskräfte als „Pate“ für ausgewählte Nachwuchskräfte nominiert.
Um welche Themen geht es im Coaching?
Im Business-Kontext liegt der Fokus auf beruflichen Fragestellungen. Persönliche bzw. private Aspekte werden aber durchaus einbezogen. Mögliche Themen sind beispielsweise:
Reflexion und Optimierung des eigenen Arbeits-/ Führungsverhaltens, Reduzierung von Konflikten, Gestaltung beruflicher Veränderungen (im Rahmen eines Changemanagement-Umfelds bzw. im Sinne einer persönlichen beruflichen Neuorientierung) oder die individuelle Begleitung einer Einarbeitungsphase. Ein konkretes Anliegen kann durchaus mehrere Stunden Begleitung erfordern.
Kann die Führungskraft Coach ihrer eigenen Mitarbeitenden sein?
Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Meines Erachtens kann die Führungskraft durchaus einen Führungsstil anwenden, der Coaching ähnelt. Führung und „echtes“ Coaching schließen sich aber aus: Freiwilligkeit und Vertraulichkeit sind nicht immer gegeben. Zudem muss die Führungskraft notfalls eingreifen und agiert spätestens dann wieder in ihrer ursprünglichen Rolle. Weiter erfordert seriöses Coaching eine entsprechende Ausbildung. Diese findet meist über mehrere Monate verteilt berufsbegleitend statt und kostet mehrere Tausend Euro. Viele Ausbildungsinstitute schalten zudem ein Auswahlverfahren vor.
Ist Coaching überhaupt erfolgreich?
Im Vergleich zu Seminaren bzw. Trainings ist Coaching individueller und effektiver. Wie bei allen Personalentwicklungsmaßnahmen ist ein direkter Erfolgsnachweis jedoch schwierig: Ein Coach ermöglicht lediglich Weiterentwicklung, für die tatsächliche Umsetzung ist der Coachee selbst verantwortlich. Dies erschwert eine Kosten-Nutzen-Betrachtung auf betriebswirtschaftlicher Ebene zusätzlich.
Über die Erfolgswirkung auf der Personenebene gibt es inzwischen mehrere wissenschaftliche Untersuchungen. Übereinstimmend profitiert der Coachee mit hohem Erfolg vom Coaching und fühlt sich zufriedener, motivierter, emotional entlastet, kompetenter bzw. verantwortungsbewusster. Der Coaching-Erfolg kann u.a. dadurch gesteuert werden, dass für das Dreiecksverhältnis zwischen Unternehmen, Coachee und Coach klare vertragliche Regelungen geschlossen werden. Im Innenverhältnis zwischen Coachee und Coach sollten ebenfalls (Ziel-)Vereinbarungen getroffen werden.
Wie wird Coaching im Unternehmen eingeführt?
Wichtig ist die Unterstützung bzw. das Vorbild durch das Top-Management, um eine generelle Akzeptanz von Coaching im Unternehmen zu schaffen.
Gerade wenn bislang kein Coaching eingesetzt wurde, kann bei Konzeption und anschließender Implementierung die Unterstützung durch einen erfahrenen Berater und Coach wertvoll sein.
Grundsätzlich macht ein abgestuftes Vorgehen mit Berücksichtigung folgender zentraler Aspekte Sinn:
- Schaffen eines gemeinsamen Verständnisses (Coaching-Philosophie)
- Verabschiedung eines Konzeptes (Zielgruppe, Kriterien für Coach-Auswahl, Buchungsmodalitäten, Rahmen für Ablauf, Erfolgsmessung, Budget, nächste Schritte, Zuständigkeiten usw.)
- geeignete Information und fortlaufende Kommunikation
- Start Coaching
- Feedback durch Coachee und Coach (anonymisiert bzw. aggregiert)
- Auswertung und ggf. Ausweitung bzw. Ableitung von Folgemaßnahmen.
Wenig hilfreich ist die Defizit-Betrachtung (nicht optimal „funktionierende“ Mitarbeiter benötigen Coaching – quasi als eine Art „Reparatur“). Aus einer Ressourcen-Sicht heraus ermöglicht der Coach vielmehr, dass der Coachee künftig noch erfolgreicher agiert. Die Inanspruchnahme von Coaching ist somit eher ein Zeichen für die Wahrnehmung der Eigenverantwortlichkeit zur fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung (Employability).
Bislang waren Führungskräfte primäre Zielgruppe. Coaching wird zunehmend auch auf der Ebene der Mitarbeitenden eingesetzt. Die Handhabung sollte für alle Beteiligten einfach, flexibel und vertraulich sein (direkte Kontaktaufnahme und Terminabstimmung, formular- bzw. online-gestützter Abrechnungs-/Feedback-Prozess etc.).
Wie findet man den „richtigen“ Coach?
Häufig basiert die Auswahl auf Empfehlungen durch Dritte oder auf eigenen positiven Erfahrungen. Ausbildung und Kompetenz des Coachs spielen ebenso eine Rolle wie Vertrauenswürdigkeit und Persönlichkeit.
Das grundsätzliche Passungsverhältnis wird oft durch den Personalbereich in einer Art Vorstellungsgespräch überprüft. Werden mehrere Coachs ausgewählt, empfiehlt sich ein standardisiertes Vorgehen (z.B. Einsatz eines Fragenkatalogs, um im Nachgang die Eindrücke besser vergleichen zu können). Größere Unternehmen schaffen sich so einen eigenen Coach-Pool, aus dem die Interessenten auswählen können.
Das erste Kennenlernen kann im Rahmen eines gemeinsamen Treffens erfolgen. Denkbar ist, dass der Coach sich, seine Arbeitsweise und einen anonymisierten typischen Fall dem Kreis der potenziellen Coachees vorstellt. Auch im weiteren Verlauf stärken Treffen – ggf. mit vorher festgelegtem Rahmenthema – die Coaching-Kultur. Zudem wird der kollegiale Austausch bzw. die Festigung von Netzwerken gefördert. Coaching als individuelle Maßnahme zur Personalentwicklung kann so auch einen wertvollen Beitrag in Richtung Organisationsentwicklung leisten.
Ausgewählte Literatur
Backhausen, W./Thommen, J.-P. (2017): Coaching. Durch systemisches Denken zu innovativer Personalentwicklung [Reihe uniscope. Publikationen der SGO Stiftung]. 4. Aufl. Wiesbaden: Springer Gabler
Dotzauer, A. (2017): Coaching in Theorie und Praxis. Eine Bestandsaufnahme aus interdisziplinärer Perspektive [Reihe Arbeitspapiere der FOM Hochschule, Nr. 68]. Essen: MA, online unter https://www.fom.de/fileadmin/fom/forschung/arbeitspapiere/FOM_AP_68_Dotzauer_Coaching_in_Theorie_und_Praxis_E-Book.pdf (letzter Abruf 17.03.2022)
Greif, S./Möller, H./Scholl, W. (Hrsg.) (2018): Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching [Reihe Springer Reference Psychologie]. Berlin: Springer
Kühl, W./Schäfer, E. (2019): Coaching und Co. Ein Kompass für berufsbezogene Beratung [Reihe essentials]. Wiesbaden: Springer
Middendorf, J. (2019): Lösungsorientiertes Coaching. Kurzzeit-Coaching für die Praxis [Reihe essentials]. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer
Möller, H./Zimmermann, J. (2020): Schwierige Situationen im Business-Coaching. Praxisbeispiele, Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten. Wiesbaden: Springer
Rauen, C. (2021): Handbuch Coaching. 4. Aufl. Göttingen: Hogrefe
Webers, T. (2020): Systemisches Coaching. Psychologische Grundlagen. 2. Aufl. Berlin: Springer
Dieser Beitrag wurde ursprünglich online auf dem „Dotzauer-Blog“ veröffentlicht. Seit 2012 informierte der Dotzauer-Blog über HR/Personalmanagement, Führung, Changemanagement und Karriere. Anfang 2022 verzeichnete der Blog weit über eine Viertelmillion Seitenaufrufe. Der separate Blog existiert nicht mehr. Ausgewählte Blogbeiträge wurden jedoch 2022 – in Teilen überarbeitet, verkürzt bzw. aktualisiert – in diese Website integriert. Bei Fragen, Anmerkungen etc. können Sie sich gerne an den Autor wenden.