Schlechter Führungsstil, geringe Mitarbeitermotivation – und kein Ausweg?
Studien belegen seit Längerem, dass das Führungsverhalten vieler Führungskräfte aus Mitarbeitersicht deutlich verbesserungsfähig. Häufig mangelt es vor allem an Empathie, Führungsqualität bzw. effektivem Führungsverhalten. Kritisiert wird u. a., dass Führungskräfte kaum auf ihre Mitarbeitenden eingehen, einzelne Teammitglieder bevorzugen, sich zu sehr in Fachthemen einmischen und wenig Feedback geben.
Folge ist, dass Mitarbeitende Gespräche mit ihrer Führungskraft meiden, weil sie sich nicht ausreichend wertgeschätzt fühlen. Zudem engagieren sich Mitarbeitende nur begrenzt. Weiter sind Mitarbeitende oft überzeugt, besser als ihre momentane Führungskraft führen zu können. Jedoch fehlt die Bereitschaft, diese Führungsverantwortung tatsächlich zu übernehmen. Häufig wird überlegt, wegen der direkten Führungskraft (erneut) den Arbeitsplatz zu wechseln.
Welches Fazit lässt sich ziehen? Es mangelt nicht am Fachwissen, sondern an grundlegenden Aspekten der Mitarbeiterführung – insbesondere Sozialkompetenz. Interne Mitarbeiterbefragungen belegen ebenfalls häufig Demotivation in der Belegschaft. Seit Jahren zeigen auch die repräsentativen Untersuchungen des sog. Gallup Engagement Index den im Unternehmen vorherrschenden „Dienst nach Vorschrift“. Dass der überwiegende Teil der Belegschaft emotional nur gering an das Unternehmen gebunden ist, hat folgende Auswirkungen: Niedrigere Arbeitsmotivation, mehr Fehlzeiten, weniger Verbesserungsvorschläge, höhere Fluktuationsneigung, geringere Weiterempfehlung des eigenen Arbeitgebers, geringere Kundenorientierung, weniger Spaß bei der Arbeit, höheres Stressempfinden. Hinsichtlich des Führungsverhaltens gibt es erhebliches Verbesserungspotenzial. Die durch Gallup bezifferten volkswirtschaftlichen Kosten des Phänomens innere Kündigung liegen in Deutschland jährlich im unteren dreistelligen Milliardenbereich.
Das Verhalten am Arbeitsplatz ist somit optimierbar – sowohl auf Seite der Führungskräfte als auch der Mitarbeitenden. Führungskräften kommt jedoch aufgrund ihrer Vorbild- bzw. Multiplikatorwirkung eine besondere Bedeutung zu. Wie kann es Führungskräften gelingen, wirksamer mitarbeiterorientierter zu führen? Wohlwissend, dass das Thema vielschichtig ist, halte ich auf Basis meiner Erfahrungen insbesondere folgende Punkte für wichtig:
- Beachtung zentraler Grundlagen für einen wertschätzenden Führungsstil: Anerkennung geben, Nähe zu Mitarbeitern zeigen (z.B. durch aufrichtige und regelmäßige informelle Kommunikation), Transparenz durch Information schaffen, Offenheit zeigen (Berechenbarkeit, für Feedback, etc.), Kompetenzen fördern, Arbeitsbelastung reduzieren, Teamklima positiv gestalten
- Reflexion des eigenen Führungsverhaltens durch regelmäßiges Feedback – insbesondere von der übergeordneten Führungskraft und den geführten Mitarbeitenden (z.B. im Rahmen sog. Teamgespräche)
- Mentoring durch eine führungserfahrene Person aus dem eigenen Unternehmen
- Coaching – hinsichtlich Akzeptanz und Vertraulichkeit ist der Einsatz eines erfahrenen externen Coachs besonders hilfreich
- präventiv entsprechende Aufmerksamkeit auf die Nachfolgeplanung sowie die Auswahl und Qualifizierung künftiger Führungskräfte richten: Nicht immer sind Fachexperten auch gute Führungskräfte. Nachwuchskräfte lässt man – allenfalls nach Teilnahme an einem standardisierten Führungsseminar – oft ohne weitere individuelle Begleitung in ihre Führungsrolle starten. Um dem Druck der neuen Anforderungen standzuhalten, (re)produzieren sie dann oft unpassendes Verhalten.
Wie schafft man den Anfang? Beide Seiten können den aufgezeigten „Teufelskreis“ durchbrechen, indem sie mehr aufeinander zugehen.
Machen Sie als Führungskraft den ersten Schritt: Bitten Sie häufiger um konstruktiv-kritisches Feedback – und bieten es ebenfalls an. Investieren Sie noch mehr Zeit in wertschätzende Gespräche mit Ihren Mitarbeitenden.
Und als Mitarbeiter/in: Zeigen Sie sich engagiert und interessiert an (neuen) Herausforderungen, damit u. a. das Prinzip „Fordern und Fördern“ besser greifen kann. Viel Erfolg!
Ausgewählte Literatur
DDI Deutschland (Hrsg.) (2012): Studie: Führungskräfte versagen im zwischenmenschlichen Umgang, Pressemitteilung vom 10.2.2012 via openPR, online unter https://www.openpr.de/news/606710/Studie-Fuehrungskraefte-versagen-im-zwischenmenschlichen-Umgang.html (letzter Abruf 16.03.2022)
Felfe, J. (2020): Mitarbeiterbindung [Reihe Wirtschaftspsychologie]. 2. Aufl. Göttingen: Hogrefe
Franken, S. (2016): Führen in der Arbeitswelt der Zukunft. Instrumente, Techniken und Best-Practice-Beispiele. Wiesbaden: Springer Gabler
Gallup Inc. (Hrsg.) (2022): Engagement Index Deutschland 2020. Deutschlands renommierteste Studie zum Arbeitsumfeld und zur Führungskultur, online unter https://www.gallup.com/de/engagement-index-deutschland.aspx (letzter Abruf 16.03.2022)
Kanning, U. P. (2017): Personalmarketing, Employer Branding und Mitarbeiterbindung. Forschungsbefunde und Praxistipps aus der Personalpsychologie. Berlin, Heidelberg: Springer
Negri, C. (Hrsg.) (2019): Führen in der Arbeitswelt 4.0 [Reihe „Der Mensch im Unternehmen:
Impulse für Fach- und Führungskräfte“]. Berlin: Springer
Steiner, C./Halstrup, D. (2011): Schlechte Führung wird toleriert, wenn die Zahlen stimmen. Stellenwert der Personalführung in deutschen Unternehmen, in: Personalführung, 7/2011, S. 38-41, via DGFP online unter https://www.dgfp.de/hr-wiki/Schlechte_F%C3%BChrung_wird_toleriert__wenn_die_Zahlen_stimmen.pdf (letzter Abruf 16.03.2022)
Dieser Beitrag wurde ursprünglich online auf dem „Dotzauer-Blog“ veröffentlicht. Seit 2012 informierte der Dotzauer-Blog über HR/Personalmanagement, Führung, Changemanagement und Karriere. Anfang 2022 verzeichnete der Blog weit über eine Viertelmillion Seitenaufrufe. Der separate Blog existiert nicht mehr. Ausgewählte Blogbeiträge wurden jedoch 2022 – in Teilen überarbeitet, verkürzt bzw. aktualisiert – in diese Website integriert. Bei Fragen, Anmerkungen etc. können Sie sich gerne an den Autor wenden.